Drachin hat geschrieben:Und auch in der Natur kommt es sehr wohl vor, dass Gendefekte weitervererbt werden, auf diese Art und Weise sterben Tierarten aus.
Hm, setzt du "Gendefekt" mit Mutation gleich? Denn genaugenommen ist jede Art einer Mutation im Vergleich zum Ursprungsgenom ein Gendefekt. Jede Art von Evolution basiert auf einer munteren Reihe ungeordneter willkürlicher Mutationen, von denen sich einige als vorteilhaft, die meisten aber als nachteilig für das betreffende Wesen erweisen. An diesen Mutationen stirbt aber keine ganze Art aus, denn nachteilig wirkende Mutationen erhöhen den Selektionsdruck auf das neuartige Tier, wodurch es mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Genpol entfernt wird, bevor es ins fortpflanzungsfähige Alter gekommen ist.
Eine Tierart stirbt aus, wenn sich ihre Umweltbedingungen in zu kurzer Zeit zu massiv ändern, als dass sie sich an die Veränderungen anpassen könnte. Eine zu gute Spezialisierung kann daher auch unvorteilhaft sein, weil dann auf Veränderungen nicht mehr flexibel reagiert werden kann.
Drachin hat geschrieben:Auf der anderen Seite sind aber Tiere von ihrer Kondition her natürlich dazu verdammt, auszusterben.
Nicht aufgrund ihrer Kondition, das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Survival of the fittest bedeutet nicht das Überleben des Stärkeren, sondern das des Angepasstesten. Es kann sich beispielsweise eine konditionell schwächere VA gegenüber dem wildfarbenen Ursprung durchsetzen, wenn ihr bei einer zunehmenden Versteppung ihres Habitats ihr helles Haus samt hellem Fuß auf hellem Untergrund einen Selektionsvorteil durch bessere Tarnung verschafft.
Drachin hat geschrieben:Der Gepard ist ein schönes Tier, stromlinienförmig, schnell, tödlich. Aber er hat eine mieserable Erfolgsquote beim Jagen, weshalb er natürlich aussterben wird.
Nun, so miserabel jagt der Gepard nicht. Sonst hätte er es kaum bis in unsere Zeit geschafft. Was ihm vermutlich das Genick brechen wird, ist die Vernichtung seines Lebensraums durch den Menschen.
Drachin hat geschrieben:Schnecken in freier Wildbahn werden einfach häufig alt genug, dass sie sich weiter fortpflanzen können, bevor sie "selektiert werden". Das sind gesunde Tiere, die gesunden Nachwuchs zur Welt bringen.
Es ist normal, dass von einem großen Gelege nur ein kleiner Bruchteil von Tieren das erste Jahr überlebt. Je größer und älter die Kleinen werden, umso mehr sinkt die Ausfallquote. Wer sich schließlich fortpflanzt, hat bis zu diesem Zeitpunkt bewiesen, dass er an die jeweiligen Umweltbedingungen am besten angepasst ist.
Rein rechnerisch müssten von allen Nachkommen, die Paar in ihrem Leben erzeugt, nur zwei! Tiere das fortpflanzungsfähige Alter erreichen und sich fortpflanzen (wieder mit nur zwei Nachkommen im ganzen Leben), um den Bestand zu erhalten. Alle anderen fallen ungünstigen Witterungsbedingungen, Krankheiten, Fressfeinden, Unfällen etc. zum Opfer.
Bei der "Zucht" versucht man gezielt, bestimmte Merkmale zu verstärken und andere abzuschwächen, das kann auf bestimmte Körpergröße sein, auf bestimmte Farben, ein schnelles Wachstum (was nicht immer auch gut ist, langsames Wachstum kann auch seine Vorteile haben), einen bestimmten Körperbau, friedliches (oder eben aggressives) Verhalten... Auf ein langes Leben lässt sich etwas schwerer selektieren.
"Zucht" findet bei Achatschnecken meines Wissens nicht statt, denn dafür müsste der Züchter seine Tiere vor der Vermehrung erst erwachsen werden lassen (erst dann lassen sich schon ein paar Dinge abschätzen), er müsste viele verschiedene, verwandte und nicht-verwandte Tiere derselben Art halten, in vielen verschiedenen Gruppen. Er müsste gezielte Verpaarungen ansetzen, Testverpaarungen durchführen, genau Buch führen darüber, welches Tier welche Eigenschaften dominant und rezessiv (und getrennt nach Eizelle und Sperma) vererbt... Ganze Gelege aufziehen und Tabellen über die erzielten Eigenschaften erstellen...
Richtige ernsthafte Zucht bedeutet auch, dass "Ausschuss" produziert wird. Meerschweinchen, Kaninchen, Tauben, Hamster... diese Tiere enden normalerweise als Futtertiere, oft geschieht das auch Tieren, die nach einigen Jahren als Zuchttier zu alt geworden sind.
Ich finde, ganz besonders aus diesem Grund sollte man sich sehr überlegen, was man unterstützen möchte, auch wenn "Zucht" sich erst einmal sehr gut anhört. Eine völlig reine weiße Weste hat sie nicht.
Und um auch noch direkt auf das Topic einzugehen: Ich finde es sehr verantwortungsbewusst, wenn Jungschnecken aus einem ungewollten Gelege oder aus einer großen Menge kranker Tiere gefrostet werden. Ich finde es aber noch viel verantwortungsbewusster, wenn man es erst gar nicht zu einer solchen Jungschneckenflut kommen lässt oder aus Becken mit schlecht gewachsenen Tieren konsequent keinen Nachwuchs aufzieht. Gegen das Verfüttern überzähliger Jungschnecken habe ich nichts, denn auch andere Tiere wollen artgerechtes Futter haben. Das sind allerdings ethische Gründe, denn den gefrosteten Schnecken dürfte es völlig gleich sein, ob sie wegen Verfütterns gefrostet werden oder weil sie aus welchen Gründen auch immer nicht gefallen.
Ich würde kranke Notfalltiere, die ich freiwillig übernommen habe, bis an ihr Ende hegen und pflegen. Ich würde aber gleichzeitig offensichtlich kränklich wachsende Jungschnecken frosten.
Der Tipp, nur so viele Tiere aufzuziehen, wie man selbst notfalls behalten kann, ist in meinen Augen der beste Tipp, den man dazu bekommen kann.