Hi,
ich will hier kein dickes Fass aufmachen, aber vielleicht doch kurze Randbemerkungen zum heute im Forum angesprochenen Thema „Schmerz“.
(Anmerkung von Rasplutin:
wolf bezieht sich auf den Thread Übernahme schwer verletzter Cornu aspersum Raum Wien)
Zweifellos ist es biologisch extrem sinnvoll für ein Tier, auf schädigende Reize mit einem Zurückziehen der bedrohten Körperzone (oder sogar des ganzen Körpers) zu reagieren. Daher sind solche uralten Reflexe nicht nur bei den Wirbeltieren, sondern auch bei Wirbellosen weitestens verbreitet. Damit sie funktionieren, braucht es natürlich erst einmal Zellen, die den Schmerzreiz aufnehmen und die Info in elektrische Impulse umwandeln, die dann weitergeleitet werden. Das sind die sogenannten „Schmerzrezeptoren“. Im englischen Sprachraum spricht man von „nociceptors“. „noci“ ist abgeleitet von lat. „noxa“, also „Schaden“. Das ist sehr vorsichtig formuliert, denn ein „Nozizeptor“ nimmt erst mal - wie eindeutig gesagt wird - nur einen schädlichen Reiz auf und von Schmerz ist da noch gar nicht die Rede. Solche Nozizeptoren sind auch bei Schnecken seit vielen Jahren bekannt. Sie sind natürlich die entscheidende Voraussetzung für Abwehr-Reflexe, denn damit fängt der Reflexbogen ja an.
Diese Reflexe funktionieren aber selbst bei Wirbeltieren ohne Zutun des Gehirns, sondern (auch beim Menschen) rein auf Rückenmarks-Ebene. Abwehr-Reflexe setzen also prinzpiell gar kein funktionierendes Gehirn voraus, sondern laufen im Nervensystem auf viel tieferer Ebene ab (sie funktionieren also noch, wenn das Gehirn schwerstgeschädigt oder im Extremfall gar nicht mehr vorhanden ist). Aus einem Abwehrreflex zu schließen, dass Schmerz empfunden wurde, ist also ein Trugschluss. Die Registrierung von einem schädigenden Reiz (über die sog. „Schmerz“rezeptoren) und die Schmerzempfindung (!) sind unterschiedliche Dinge (wobei natürlich letzteres immer ersteres voraussetzt).
Ob eine Schnecke bei einer Verletzung etwas empfindet (!), was der menschlichen Schmerzempfindung entspricht oder zumindest nahekommt, ist heute schlicht nicht zu beantworten (vielleicht wird es sich aus prinzipellen Gründen auch nie klären lassen). Selbst beim Menschen kann das Schmerzempfinden (heute) nicht objektiv gemessen werden, sondern man muss sich damit behelfen, dass die Patienten und Patientinnen die Stärke ihres Schmerzes auf einer „Schmerz-Skala“ grob subjektiv einschätzen. Wie schwierig ist das dann erst bei einer Schnecke………. .
Ich schließe mich allen 100%ig an, die sicherheitshalber (!) davon ausgehen, dass eine Schmerz-Empfindung bei Schnecken nicht ausgeschlossen werden kann, also möglich/denkbar ist. Daraus folgt logischerweise, dass wir – was wir ja alle schon tun – versuchen, alle vermeidbaren Reize, die eventuell als Schmerz empfunden werden können, nach Möglichkeit auszuschließen.
Viele der hier angesprochenen Aspekte finden sich in den nachfolgend angegebenen Arbeiten. Zumindest der zweite Artikel ist vollständig und kostenlos im Netz verfügbar, vom ersten die Zusammenfassung.
CROOK R.J. & WALTERS, E.T. (2011): Nociceptive behavior and physiology of molluscs: animal welfare implications. - ILAR J. 52 (2): 185-195, doi: 10.1093/ilar.52.2.185.
WALTERS, E.T. (2018): Nociceptive biology of Molluscs and Arthropods: evolutionary clues about functions and mechanisms potentially related to pain. – frontiers in Physiology, doi: 10.3389/ fphys.2018.01049.
Liebe Grüße: wolf