Die Archäologie der Schnecke

Hier geht es um wissenschaftliche Aspekte des Schneckenlebens.

Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Nili2001 am 19.10.2014, 18:36

Hallo allesamt,

ich habe mich gerade extra hier angemeldet, um den versammelten Experten folgende Frage zu stellen:

Ich bin Archäologin und habe eine allgemeine Frage zu dem, was ich als Laie als Weinbergschnecke nennen würde (ca. 4 cm große, braun-weiß gestreifte Gehäuse). Am ehesten sehen sie so aus:

http://www.nadur.at/wp-content/mediaz/s ... 01-600.jpg

Die Grabung ist in Italien, in der Nähe von Rom. Wir haben einige Schichten, in denen gehäuft intakte Schneckenhäuser auftauchen. Die Archäo-Zoologin kennt sich da auch nicht so wirklich aus, und schlug für einige die Interpretation als Essensabfälle vor, also Überreste gegessener Schnecken. Aber das kann bei vielen einfach nicht stimmen, aus verschiedenen Gründen. (damit nerve ich euch jetzt nicht)

Nun also die Frage: In was für einem Umfeld leben die Weinbergschnecken denn besonders gerne? Gibt es besondere Gründe, warum sie besonders gerne in einigen Bereichen auftauchen und man die Schnecken dann da auch findet? Sagt das etwas über die Erde oder die Feuchtigkeit etc. aus?

Ihr seht, ich bin in der Hinsicht absoluter Laie, darum dachte ich, ich wende mich einmal an die Experten.

Alles, was euch so einfällt, würde uns schon weiterhelfen. Mir ist bewusst, dass das eine etwas seltsame Frage ist; ich hoffe, ich habe mich hier an die richtige Stelle gewandt.

Vielen Dank und viele Gruesse,


Eva T.
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Bonnschi am 19.10.2014, 19:07

Guten Abend,

Ich bin bei weitem kein Experte :oops: aber zu Weinbergschnecken fällt mir was ein. Und zwar habe ich schon oft gelesen und gesehen, dass sie einen lichten Ort und basische Böden mit viel Kalk Vorkommen bevorzugen.

Ich hoffe das bringt die Forschung ein bisschen weiter! :)

Eben habe ich nochmal das Bild aus dem Link angesehen und finde das die Schnecke dort nicht aussieht wie eine Weinbergschnecke. (Liege ich da falsch???)
Aber wenn ich das richtig verstanden habe, dann soll das Bild ja eh nur ein Vergleich zu den gefundenen Häusern sein und kann dadurch natürlich auch vom "Original"/ der gefundenen Häuser abweichen.

Hier kann man die Verschiedenen Häuser der Weinbergschnecken Arten ganz gut Unterscheiden und Vergleichen :

http://www.weichtiere.at/Schnecken/wein ... necke.html

(Da muss man rechts nochmal auf "Bestimmung" klicken dann kommen die verschiedenen Bilder der Häuser)

Kommt eine dieser Schneckenhäuser denen der gefundenen Schnecken nahe? Eine genauere Arten Bestimmung kann ja auch nochmal detailliertere Aussagen über den Standort und die Erde an diesem geben.

So ich hoffe das wird helfen! :)
Alle Angaben ohne Gewähr :)

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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Rasplutin am 19.10.2014, 19:34

Interessant!

Wenn es eine natürliche Population war, dann sollten auch kleine Schneckenhäuser zu finden sein.
Wenn es sich um "Essensreste" handelt, dann würde man da wohl keine kleinen Schneckenhäuser finden.

Und ja, manchmal sind Schneckenpopulationen lokal sehr begrenzt.
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Susi am 20.10.2014, 11:31

Hallo!

Ein Schneckenhaus, das euerem sehr nahe kommt ist die "Dalmatinische Weinbergschnecke" (Helix secernenda). Gefunden in "Weichtiere.at". Das heutige Verbreitungsgebiet ist aber Dalmatien, Montenegro bis nach Nordwestalbanien.
Das stimmt also überhaupt nicht mit dem Fundort "Nähe Rom" überein. Die Dalmatinische Weinbergschnecke bevorzugt felsige Regionen. Natürlich kann früher die Schnecke ein anderes Verbreitungsgebiet gehabt haben. Oder sie wurde als Speise extra an eueren Grabungsort transportiert. (So wie Austern nach Bayern, München, von den Römern.)

Ansonsten Weinbergschnecken allgemein: kalkhaltige Böden, Luftfeuchtigkeit 70-90%, eher lichte Vegetation, kann Frost ertragen. Je nach Art können auch Minustemperaturen ertragen werden.

Eine kurze Rückmeldung ob euch unsere Info geholfen hat und was dabei herauskommen ist fände ich spannend! :danke:

viele Grüße, Susi
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon goofy am 20.10.2014, 11:35

Ebonia vermiculata werden heute noch (nicht nur) in Italien gerne gegessen... Man kann sie auf dem Wochenmarkt kaufen... in Rom habe ich auch welche gesehen... Diese sehen deiner Schnecke auf dem Bild sehr ähnlich...vielleicht handelt es sich bei deinem Schneckenfund um diese Art...

Image

Image

Markt-Schnecken...
http://www.holidaycheck.ch/vollbild-Markt+Lecker+Schnecken-ch_ub-id_1156369631.html

Was einer Weinbergschnecke näher kommt und Streifen hat, sind Helix Lucorum...kannst du uns evt. ein Bild deiner Ausgrabungs-Schnecken zeigen...??? das würde uns weiterhelfen ;)

2 verlinkte Bilder gefunden, 2 konnten gesichert werden.

http://up.picr.de/19870935xu.jpg
http://up.picr.de/19870936wr.jpg
Zuletzt geändert von goofy am 20.10.2014, 11:46, insgesamt 1-mal geändert.
liebe Grüsse Roberta
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Rasplutin am 20.10.2014, 11:45

Nili2001 hat geschrieben:Am ehesten sehen sie so aus:
Das bedeutet, das verlinkte Bild ist kein Foto der gefundenen Schnecken, sodern eines, von dem du meinst, dass es den gefundenen Schnecken ähnlich sieht.

Hast du vielleicht Bilder vom Fundort, auf dem die Schnecken zu sehen sind?
Sonst muss alles Spekulation bleiben.
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon smilla am 20.10.2014, 13:07

Hallo Eva,
erstmal herzlich Willkommen im Forum.

Nili2001 hat geschrieben:Die Grabung ist in Italien, in der Nähe von Rom. Wir haben einige Schichten, in denen gehäuft intakte Schneckenhäuser auftauchen. Die Archäo-Zoologin kennt sich da auch nicht so wirklich aus, und schlug für einige die Interpretation als Essensabfälle vor, also Überreste gegessener Schnecken. Aber das kann bei vielen einfach nicht stimmen, aus verschiedenen Gründen. (damit nerve ich euch jetzt nicht)


Also ich würde furchtbar gerne mit ein paar mehr Info's "genervt" werden... z.B. warum es nicht stimmen kann, dass die gefundenen Schneckenhäuser Überreste von Essensabfällen sind.

Es gibt soviele Möglichkeiten und wenn ich Dich richtig verstehe, dann denkst Du eher daran, dass es sich um eine Population an dem Fundort lebender/heimischer Schnecken handelt, richtig?

Dazu benötigen wir dann aber wirklich ein Foto der tatsächlich gefundenen Schnecken.

Was mir noch spontan zu einem Massenfund an leeren Schneckenhäusern einfällt ist:
*die bereits genannten Essensüberreste
*ein Marktstand mit damals noch lebenden Schnecken
*Schmuckherstellung
*Kalkherstellung bzw. Weiterverarbeitung des entstandenen Pulvers (zu welchem Zweck auch immer...vielleicht Farbe)
*und je oller je doller: vielleicht als Zahlungsmittel oder zum Tauschhandel


Also ich find's super spannend und würde mich echt über mehr Infos freuen :)
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Nili2001 am 21.10.2014, 09:52

Hallo allesamt,

erst einmal danke fuer eure Antworten und eure Muehe!

Wir haben natuerlich leider keine Fotos der Schnecken, da diese nicht als wichtige Funde gelten und nur in der Aufstellung generell vermerkt werden. Sie ueberleben es meistens auch gar nicht erst in die Fundbearbeitung, weil sie auf dem Weg zerbrechen. Das ist manchmal ein bisschen traurig, aber die meisten von uns koennen damit eben nichts anfangen, weswegen man sich eben nicht noch die extra Muehe macht.

Also, zum Aussehen der Schneckenart:

Ich habe mir mal die von euch empfohlenen Links angeguckt und - waehrend des die Dalmatinische Schnecke sein koennte - stimme ich ueberein mit euch und denke, dass anhand des Orts - etwa 15 km von Rom entfernt - das doch nicht so wahrscheinlich ist. Ich denke darum, dass die Italienische Weinbergschnecke (Helix ligata) dem ganzen wohl am nahsten kommt. Die Haeuser sind weiss oder beige, mit hellbraunen Streifen. An Bildern sieht das sehr aehnlich aus: http://i31.servimg.com/u/f31/17/61/24/25/bild6212.jpg Allerdings sind es, wenn ich mich recht erinnere, meistens weniger Streifen.

Zum Rest:

Zur natuerlichen Population: Dass dann auch kleinere Schnecken da sein sollten - tja, da haette man waehrend der Grabung vielleicht mal drauf achten sollen... :-) Aber wenn ich mich recht erinnere, war das i.d.R. schon der Fall.

Die Fundsituation ist ein bisschen kompliziert zu erklaeren. Es handelt sich um eine Verteidigungsanlage, und meine Schnitte sind im Bereich der Verteidigungsgraeben. Bei den betroffenen Schichten handelt es sich um Fuellschichten der verschiedenen Graeben. Die Suedgraeben - naeher an einem Bachverlauf - weisen i.d.R. sehr viel Schnecken- und Muschelschill auf (auch wenn uns allen der Unterschied auf einen Blick nicht immer so vollkommen klar ist). Und i.d.R. weniger große, intakte Schneckenhaeuser.

Die großen Haueser kommen v.a. aus den Nordgraeben, wo wahrscheinlich kein durchgehend feuchtes Sediment existierte wie wahrscheinlich im Sueden. Einige Schichten sind eher so Abfallschichten, mit vielen Tierknochen (Schlachtabfaellen), und da greift die Interpretation als Essensabfaelle.

Die interessanten Schichten sind allerdings darunter, und liegen wahrscheinlich noch zu hoch fuer Wasser-Schichten. Es gibt eine, mit eher lehmiger Erde, wo man sich nicht umdrehen kann, ohne da eine Schnecke zu haben. Auffallend ist auch, dass sie oft in "Clustern" liegen, also drei oder mehrere große Haeuser zusammen. Aber sie sind schon noch Teil der Schicht, also nicht eine Schicht aus Schnecken, wie man es bei einer Drosselschmiede o.ae. erwarten koennte. Die Schicht dadrunter und drueber haben nicht annaehernd so viele Schnecken.

Die Interpretation als Essen greift eher nicht, weil wir ansonsten keine Hinweise auf abgeladenen Muell haben, wie z.B. bei den o.a. Schichten. Wir haben auch keine Hinweise auf eine nahe gelegene Population, die dann direkt ihren Muell in die Graeben gekippt haette, auf jeden nicht in der relevanten Zeitspanne. Abfallschichten dienen hier meistens, um Gelaende zu planieren, d.h. sie haben den Muell meist von irgendwo hergekarrt. Damit faellt eben alles wie Verkauf, Schmuckherstellung etc. weg, und fuer Zahlungsmittel sind wir zu spaet (ca. 6-5 Jh. v. Chr.). Da hatten die zwar in Mittelitalien i.d.R. noch keine Muenzen, aber ueber Schnecken waren sie hinaus. :-)

So. Mehr faellt mir auf die Schnelle nicht ein.

Italienische Weinbergschnecken moegen also i.d.R. Kalk, ja? Damit koennen wir in der Tat dienen. Und moegen sie es eher feucht, oder schlammig?

Ich danke euch nochmal fuer eure Muehe.

Viele Gruesse aus Berlin,


Eva T.
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Susi am 21.10.2014, 11:09

Hallo Eva!

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Das ist sehr interessant!

Ich habe kurz wg dem Boden gegoogelt. Ein Lehmboden ist umgewandelter Löß. Löß ist auch Als Heilerde bekannt. Schnecken mögen Heilerde, sie brauchen diese Mineralien. Das könnte einGrund sein warum die Schnecken bevorzugt in der lößhaltigen Schicht auftreten. Schnecken sind auch nicht prinzipiell Einzelgänger, auch wenn wir sie oft alleine sehen. Gerade an Stellen, die beliebt sind, könnte ich mir schon vorstellen, dass mehrere Schnecken zusammenkommen.
Das würde dann, zusammen mit großen und kleinen Schneckenhäusern, eher für eine natürliche Populatione sprechen. Meiner Meinung nach.

Viele Grüße, Susi
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Re: Die Archäologie der Schnecke

Beitragvon Fine am 21.10.2014, 11:27

Wirklich super-interessant, auch mal etwas "Schneckisches" aus einem ganz anderen Gebiet zu lesen! :)
Nili2001 hat geschrieben:Italienische Weinbergschnecken moegen also i.d.R. Kalk, ja?

Kalkhaltige Böden oder andere Kalkquellen sind für Schnecken deshalb wichtig, weil ihre Häuschen überwiegend aus Kalk bestehen und auch Kalk zur Produktion der Gelege benötigt wird.
Bei feuchteren Bedingungen sind Schnecken aktiv, aber grade mediterrane Arten sind auch gut an trockene Zeiten angepasst und halten dann eine Art Trockenruhe, wirklich schlammig (auf Dauer) mögen sie es wahrscheinlich eher nicht, in Schlamm oder Lehmigen Böden könnten aber auch Stoffe enthalten sein, die sie gerne aufnehmen.

Wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine natürliche Population handelt, ist es schon gut möglich, dass auch in einem kleineren Gebiet an einigen Stellen sehr viele und an anderen Stellen fast keine Schnecken einer Art auftreten, zumindest konnte ich das bei unseren heimischen Weinbergschnecken schon beobachten.

Ist es vielleicht auch möglich, dass beim Bau der Verteidigungsanlage Materialien/Gestein verwendet wurde/n, die z.B. sehr kalkhaltig waren? Das könnte Schnecken auch angezogen haben, so dass sich dort ungewöhnlich viele Schnecken anfinden.
Vielleicht war dort aber auch nur ein sehr gutes Nahrungsangebot oder beispielsweise ein guter Ort für die Trockenruhe.

Hier mal ein Beispielbild von Theba pisana, die finden sich oft in großen Ansammlungen zusammen:
http://3.bp.blogspot.com/-pdQtyjhWSyw/UR6fs7nME3I/AAAAAAAARWw/Dy-XgXhzuBA/s1600/Theba+pisana+pisana+%25289%2529.jpg
JegrößerderDachschaden,
destobesserderBlickindieSterne!
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