Fragen zur Nomenklatur

Besonderheiten der unterschiedlichen Arten und Achatschnecken-Bestimmungsecke.

Fragen zur Nomenklatur

Beitragvon Fine am 31.10.2010, 09:27

Moin moin :)

Mich würde mal eine einfache, für Laien verständliche, Erklärung von einigen Begriffen aus der Nomenklatur interessieren.
Insbesondere geht es mir da um Varietät, Form, Spezies und Subspezies.

Was genau unterscheidet z.B. eine Form von einer Varietät?
Vielleicht kann mir das jemand, bezogen auf Schnecken natürlich, mal erklären.
Wie wendet man die Begriffe richtig an?

Mir begegnen beim Googeln öfter mal Formulierungen bei denen ich denke dass das wahrscheinlich nicht richtig ist.
Beispielsweise wird hier in dem Wiki-Artikel über Achatschnecken gesagt, die rodatzi wäre eine Unterart der A. fulica........kann das denn stimmen? Ist das nicht eher eine Form oder Varietät?

Oder etwas was ich kürzlich in einem anderen Forum gelesen habe, es ging um besonders gestreifte fulica.......da wird dann von einem Admin behauptet, A. fulica Wildfänge aus Madagaskar könnten als A. fulica spec. Madagaskar bezeichnet werden.
Das kann doch nicht richtig sein....spec. wäre doch dann eine anerkannte Untereinheit einer Art, das kann man sich doch nicht einfach so nach Fundort "aussuchen", oder?
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Re: Fragen zur Nomenklatur

Beitragvon Trochoidea am 01.11.2010, 18:31

Das ist ne Frage für mich! Ich hoffe der Text wird nicht zu lang.
Die Grundeinheit der biologischen Namensgebung ist die Art. Ein Artname besteht aus dem Gattungsname und dem eigentlichen Artname, z.B. Achatina fulica [Gattung + Art]. Wenn sie eine Art in verschiedene unterschiedliche Population aufteilt, dann werden diese in der Regel mit nem eigenen Namen als Unterart geführt. Die Begriffe Varietät und Form werden schon seit gut 50 Jahren in der Zoologie nicht mehr verwendet. Alle die heute verwendeten Varietäts- und Formnamen sind Phantasienamen ohne wissenschaftliche Bedeutung, genauso wie Achatina fulica Madagaskar oder so.

Das Grundproblem ist, dass es mehrere verschiedene Definitionen der Art gibt. Am besten ist der biologische Artbegriff: "Was sich unter natürlichen Bedingungen miteinander fortpflanzt und fruchtbare Nachkommen hat, gehört zu einer Art". (Natürlich gibt's da ne Menge Ausnahmen.)
Leider ist dieser biologische Artbegriff nicht gerade praktisch. Wenn ich im afrikanischen Urwald mit viel Mühe ein paar Schneckenschalen gefunden habe, dann kann ich nicht noch überprüfen, ob die sich miteinander fortpflanzen. Da die meisten Arten sowieso auf der Basis von totem Museumsmaterial aufgestellt werden, verwenden die meisten Biologen nen morphologischen Artbegriff. Obwohl sie wissen, dass der biologische besser wäre. Morphologisch ist alles eine Art, was in etwa gleich aussieht.
Das führt dann unweigerlich zu Meinungsverschiedenheiten. Weil natürlich jeder ne andere Meinung über die Wertigkeit bestimmter Merkmale hat.

Außerdem kommt noch ein geschichtlicher Faktor dazu. Früher hat man jeder geringfügigen mutationsbedingten Abweichung nen eigenen Name gegeben. Zum einen weil die Artdefinition tatsächlich anders war (man hat z.B. vielen Bändervarietäten von Cepaea nemoralis eigene Namen gegeben), zum anderen weil man natürlich weniger wusste. Die erste rodatzi die aus Afrika nach Europa kam, hat man wahrscheinlich für ne neue Art gehalten und erst viel später mitgekriegt, dass es keine eigene Art ist.
Heutzutage ist es in der Zoologie nicht mehr üblich Farb- und Wachstumsformen eigene Namen zu geben. Als Varietäten bezeichnete man früher geringfügige Abweichungen, die nicht zum Abtrennen einer eigenen Unterart ausreichen, also quasi Abweichungen innerhalb einer Unterart. Formen sind Abweichungen vom Typus, die nur hier und da mal auftreten. Eigentlich wurden die Begriffe aber ziemlich oft durcheinander gebracht und jeder der früheren Wissenschaftler hat die Begriffe anders definiert (sehr häufig war z.B. der Bergriff Varietät das, was wir heute als Unterart bezeichnen).

In neuerer Zeitleben viele der alten Formen- und Varietätennamen wieder auf. Nicht bei den Wissenschaftlern, aber dafür bei Züchtern und Händlern. Irgendwie hat jeder den Drang für die Farb- und Wachstumsformen halt nen bestimmten Namen zu geben, damit deutlich wird, dass es was ganz Besonderes ist, was man da im Terrarium hat. Der zoologische Nomenklaturcode ist da aber ganz klar, es gibt keine Namensgebung unterhalb der Unterart mehr.
(http://www.nhm.ac.uk/hosted-sites/iczn/ ... =15&nfv=#2).

Falls also irgend jemand eine Art unterteilen will, dann geht das entweder nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten in Unterarten oder nach irgendwelchen unwissenschaftlichen anderen Gesichtspunkten (Wachstumsform, Farbe, Herkunft, etc). Für letztere Unterteilung kann man dann natürlich willkürlich irgendwelche Phantasienamen wählen. Achatina fulica Form 1 ist genauso möglich wie Achatina fulica Madagaskar oder Achatina fulica „Riesending“ oder was weiß ich. Das ist wie bei Hunderassen, die die albernsten Namen haben können. Achatina fulica spec. Madagaskar ist nur deswegen doof, weil spec. eigentlich bedeutet, dass die Art noch nicht bestimmt wurde.
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Re: Fragen zur Nomenklatur

Beitragvon Fine am 02.11.2010, 07:43

Ah, vielen Dank für die ausführliche Antwort! :)

Ich glaube jetzt steige ich da ungefähr durch...ein Artenname würde also wissenschaftlich korrekt aus dem Namen der Gattung, der Art und wenn die Voraussetzungen gegeben sind der Unterart bestehen, sowas wie var. und f. gibt es "offiziell" nicht.....spec. wird nur verwendet wenn die Art nicht bestimmt ist. Wie ist das denn mit ssp.? Bedeutet das dass die Unterart nicht bestimmt ist?

Um jetzt mal ein willkürlich aus dem Forum kopiertes Beispiel zu nehmen:
Archachatina marginata ssp. eduardi f. clenchi
müsste richtig heißen:
Archachatina marginata eduardi weil Gattung+ Art+ Unterart (sofern die eduardi eine eigene Population bilden)

Das clenchi würde wissenschaftlich gesehen keine Rolle spielen........solche Unterscheidungen wären willkürlich, würden ja aber in der Hobbyhaltung Sinn machen, wenn man beispielsweise eine bestimmte "Form" erhalten/züchten möchte...
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Re: Fragen zur Nomenklatur

Beitragvon Trochoidea am 02.11.2010, 18:17

Fine hat geschrieben:müsste richtig heißen:
Archachatina marginata eduardi


Richtig!

Allerdings ist der Name clenchi nomeklatorisch gültig beschrieben und wäre damit bei Bedarf als Unterartenname verfügbar. Falls also in Zukunft doch jemand der Meinung sein sollte, dass clenchi eine eigene Unterart ist, dann wäre der Name clenchi verfügbar. Und falls der Name eduardi aus irgendeinem Grund nicht mehr verwendet werden kann, dann könnte clenchi sogar der Name für die ganze Unterart werden.
Klingt verrückt, solche Änderungen kommen aber ständig vor.

Wenn man Namen wie Archachatina marginata "Form 1" oder Achatina fulica "Madagaskar" verwendet, dann entspricht dieser Name nicht den nomenklatorischen Regel. Das kann unter Umständen sehr von Vorteil sein, weil das nomenklatorische Kuddelmuddel schon kompliziert genug ist. Manchmal ist es einfach besser Phantasienamen zu verwenden, als sich mit der ganzen Synonymie auseinander zu setzen. So existieren z.B. innerhalb der Art A.marginata mindestens 18 nomenklatorisch gültige Namen. Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass sich irgendjemand die Gruppe mal sehr sehr gründlich vornehmen muss. Die jetzige Untergliederung ist dringend revisionsbedürftig.
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