Überwinterung einer "invaliden" (Gehäuse) Weinbergschnecke

Ist deine Schnecke krank, oder verhält sie sich nicht wie sonst, poste es hier.

Überwinterung einer "invaliden" (Gehäuse) Weinbergschnecke

Beitragvon Hoehlenbaer am 22.01.2020, 21:20

Guten Tag liebe Schneckenfreundinnen und -freunde,
im Forum bin ich neu und erhoffe mir Rat für die Versorgung meiner Weinbergschnecke.

Meine Fragen und Bitte um Ratschläge drehen sich um die Überwinterung einer "invaliden" Weinbergschnecke. Allgemeine Infos dazu, auch hier im Forum, habe ich gelesen, bitte jedoch um Verständnis, dass ich mein Anliegen konkret und mit Vorgeschichte darlege. Schließlich möchte ich, dass meine Schnecke überlebt, und ich gräme mich eh bereits, nicht früher Rat gesucht zu haben, vage hoffend, dass ich auch so zurecht kommen würde.

Zunächst die etwas längere persönliche und tierische Vorgeschichte (wer weniger Zeit oder Interesse hat, möge gleich zum Absatz "Bis in den November ..." springen):

Seit je her bin ich tierlieb und naturinteressiert, habe mich jedoch nie näher mit Schnecken befasst.
Wohl habe ich bei Spaziergängen immer wieder Schnecken und andere nicht so flotte Kleintiere von Wegen aufgehoben und im Grünen am Rand abgesetzt, wenn sie mir durch Fußgänger und Verkehr gefährdet erschienen.

So bin ich zu der Weinbergschnecke gekommen, die ich Anfang August vergangenen Jahres abends auf dem Bürgersteig gesehen und am Rand absetzen wollte.
Als ich sie hochheben wollte, habe ich festgestellt, dass das Gehäuse stark beschädigt war.
Daraufhin habe ich beschlossen, sie mit nach Hause zu nehmen, näher zu betrachten und ihr wenn möglich irgendwie zu helfen.
Es war ein großes Stück vom Gehäuse vorne abgebrochen, das so eben noch am Körper hing.
Sie muss, vermutlich erst kurz zuvor, angefahren oder angestoßen worden sein - und dabei doch so viel Glück gehabt zu haben, dass abgesehen von dem Abbrechen des Gehäuseteils keine Verletzung eingetreten ist.

Die Fotos (siehe unten) zeigen die Schnecke im August kurz nach dem Auffinden (das abgebrochene Stück Gehäuse halte ich zwischen den Fingern), einen Monat später und Ende Oktober.

In den nächsten Tagen hatte ich mich im Internet über Weinbergschnecken und deren Haltung informiert. Dabei habe ich erfahren, dass Gehäusebeschädigungen zuwachsen können.
Nun war offensichtlich, dass die Schnecke zwar ansonsten gesund war, jedoch im Hinblick auf Fressfeinde und Austrocknen der Verlust eines großes Stückes Gehäuse einen schweren, womöglich rasch tödlichen, Nachteil bedeutete.
Ich habe ein kleines Terrarium eingerichtet, für Futter (Favorit: Löwenzahn), Kalk usw. gesorgt und abgewartet.
Tatsächlich ist das Gehäuse über dem Körper selbst relativ schnell nachgewachsen, auch wenn die Struktur anders ist, und die Stärke noch längst nicht wie beim Rest ist.
Der Teil der Gehäuses, der - man verzeihe meine laienhaften Beschreibungen - wie der Schirm einer Mütze vorne überragt, und unter den die Schnecke ihren Kopf zurückzieht, fehlt allerdings nach wie vor, und ich kann mir nicht vorstellen, wie der nachwachsen könnte.

Das ist Ausgangspunkt des Problems mit dem Überwintern, dass mich beschäftigt hat.
Ich hatte gelesen, dass Weinbergschnecken Winterschlaf oder Winterstarre halten und sich dazu mich einem Kalkdeckel verschließen.
Einen solchen flachen Kalkdeckel kann meine Schnecke jedoch nicht bilden, weil der vordere Teil des Gehäuses fehlt. Wenn sich die Schnecke zurückzieht, bleibt eben immer noch der Kopf / Vorderteil sichtbar.
Außerdem nahm ich an, dass die Schnecke bereits viel Kalk für die Regeneration verbrauchte, so dass für einen Deckel sozusagen der Baustoff fehlen würde.
Daraufhin hatte ich im Internet recherchiert, ob Weinbergschnecken zwingend Winterschlaf halten bzw. halten müssen. Die Informationen waren uneinheitlich, doch als Fazit habe ich ziehen können, dass der Winterschlaf an sich notwendig ist, jedoch ein (einmaliges) Aussetzen vermutlich möglich ist.
Ich hatte daraufhin überlegt, ob ich die Schnecke in diesem Jahr ohne Winterschlaf über den Winter bringen kann. Im kommenden Jahr würde ich dann beobachten, wie sich das Gehäuse weiter entwickelt und sie je nach dem wieder freisetzen oder als Invaliden behalten und im kommenden Herbst nach einer Winterschlaf-Lösung suchen.

Bis in den November hat die Schnecke im Terrarium (im Zimmer) munter gefressen.
Dann begann sie jedoch, obwohl es in der Wohnung ja mehr oder weniger im gleichbleibend warm ist, sich zurückzuziehen und weniger zu fressen.
Eine Art innere Uhr oder andere Auslöser scheinen also den Winterschlaf zu fordern.
Eine Weile habe ich noch unschlüssig und etwas ängstlich abgewartet.
Nun ist es so, dass die Schnecke immer wieder im Terrarium den Platz wechselt, jedoch dort längere Zeit verharrt und sich mit dieser durchsichtigen Substanz an- und verklebt. Außerdem frisst sie vermutlich gar nicht mehr.
Tiere, die Winterschlaf oder Winterstarre halten, überstehen dies ja im Wesentlichen deshalb, weil sie den Stoffwechsel stark herunterfahren, wozu niedrige Temperaturen notwendig sind.
Ich befürchte nun, dass die Weinbergschnecke eigentlich Winterschlaf halten will / muss, deshalb auch nicht mehr frisst, jedoch beim Zimmertemperatur nicht ausreichend runterfährt und daher unterm Strich verhungert.

Lange Herleitung …
Was kann ich nun tun?
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass wir keinen kühlen doch frostfreien Platz haben. Unser Keller ist wegen Rohrleitungen beinahe wärmer als die Wohnung. Terrasse ist aber zu kalt, wenn es, wie in den letzten Tagen, deutlich friert.
Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wäre ein Plätzchen im Kühlschrank. Da wäre es zumindest gleichbleibend kühl, frostfrei - und ich könnte ein Auge auf sie haben.
Nur: Kann ich die Schnecke einfach so aus der Wärme der Zimmertemperatur ins Kühle setzen? So übergangslos erscheint mir das riskant.
Wird sie sich dann "einkleistern" (wenn schon kein Kalkdeckel mehr möglich sein wird) und ruhen?

Viele Menschen - wenn auch wohl nicht hier - würden wohl denken, was ich für ein Aufhebens um eine einzelne Schnecke mache. Na ja, ich habe die Aufgabe übernommen, und ich möchte alles Sinnvolle tun, um sie am Leben zu erhalten.
Insofern hoffe ich auf praktische Ratschläge, wie ich jetzt vorgehen kann.

Vielen Dank im Voraus und viele Grüße
Harald :)
.
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Re: Überwinterung einer "invaliden" (Gehäuse) Weinbergschnec

Beitragvon Rasplutin am 22.01.2020, 21:58

Hallo Harald,
es ist toll, dass du dich um die Schnecke kümmerst!

Eine Verletzung des vorderen Gehäuseteils ist meist nicht so schlimm und bei deiner Schnecke könnte es sein, dass sie es schon repariert hat! Die Farbe wird sie nicht wiederherstellen, es wird immer so gräulich/weisslich bleiben, aber das ist nur Kosmetik.
Ist der vordere Teil schon fest? Das kann ich leider auf den Fotos nicht erkennen...

Zum Bilden des Kalkdeckels und auch sonst braucht sie Kalk, den könntest du ihr in Form von gemahlenen Eierschalen bereitstellen, mit groben Eierschalenstücken kann sie wenig anfangen. Also am besten fein gemahlen und mit ein wenig Wasser zu einem Brei vermischt.

Wenn du ihr diesen Kalkbrei sowie Gurkenscheiben und Kohlrabiblätter anbietest, wäre das schonmal gut, aber das hast du bestimmt bereits herausgefunden.

Es ist tatsächlich so, dass Weinbergschnecken (Helix pomatia) auch mal einen Winter ohne Winterschlaf auskommen. Es ist aber ebenso möglich dass sie sich plötzlich eingräbt (Wie hältst du die Schnecke, hat sie Erde zur Verfügung? Das kann auch ein Behälter sein, der mit Erde gefüllt ist, ab ca 10cm Höhe), oder sich sogar "einfach so" auf den Rücken legt und sich dann verdeckelt.

Sie im Kühlschrank zu überwintern ist eine interessante Idee, ich habe das allerdings noch nie gemacht.
Vielleicht solltest du sie erstmal noch etwas in der Wohnung beobachten, ob sie frisst und Kalk aufnimmt.
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Re: Überwinterung einer "invaliden" (Gehäuse) Weinbergschnec

Beitragvon Hoehlenbaer am 23.01.2020, 09:29

Hallo Rasplutin,
vielen Dank für die Antwort und Tipps.

>>Ist der vordere Teil schon fest? Das kann ich leider auf den Fotos nicht erkennen...<<
Ja, das nachgebildete Gehäuse ist bereits fest, jedoch dünner als das ursprüngliche Gehäuse auf der andere Seite der Bruchkante.
Dagegen fehlt, wie erwähnt, der vorne überragende Teil nach wie vor vollständig, so dass sich die Schnecke eben nicht vollständig in ihr Gehäuse zurückziehen kann.
Der überstehende Teil machte - ich habe ja das abgebrochene Stück - immerhin rund einen Zentimeter aus.
Das beeinträchtigt sie ganz offensichtlich im Allgemeinen nicht, doch ist der Schutz eben unvollständig.

>>Zum Bilden des Kalkdeckels und auch sonst braucht sie Kalk, ...<<
Ich zermahle (Bio-)Eierschalen. Das Ergebnis besteht aus kleinen Stückchen (wie man sie auf den Fotos als helle Flecken erkennen kann), Krümeln und feinem Kalk-Mehl, dass ich zum bzw. übers Futter gebe und dazu verstreue.
Einmal habe ich - ganz deutlich - beobachtet, dass die Schnecke an einem Stück Eierschale, dass mehrere Millimeter Durchmesser hatte, knabberte wie sie es z. B. an einem Stück Möhre tut. Das finde ich interessant und überraschend, weil es bedeutet, dass die Schnecke instinktiv gezielt Kalk aufnimmt, auch wenn es nicht mit dem Anreiz von Nahrung verbunden ist.

>>Es ist aber ebenso möglich dass sie sich plötzlich eingräbt (Wie hältst du die Schnecke, hat sie Erde zur Verfügung? Das kann auch ein Behälter sein, der mit Erde gefüllt ist, ab ca 10cm Höhe), oder sich sogar "einfach so" auf den Rücken legt und sich dann verdeckelt.<<
Das Terrarium enthält dickes Moos, Laub, ein Stück Holz und ein Behälter mit lockerer Erde. Mein Gedanke war, dass ich sie, wenn sie wirklich eingräbt, damit zum "richtigen" Winterschlaf in den Kühlschrank (oder andernorts, wenn mir noch eine Idee kommt) verfrachten könnte.

>>Sie im Kühlschrank zu überwintern ist eine interessante Idee, ich habe das allerdings noch nie gemacht.<<
Na ja, klingt seltsam. Doch mangels anderer Alternativen, erschien es mir als Möglichkeit. Der Sauerstoff sollte auch kein Problem sein, denn der Kühlschrank wird ja täglich x-mal geöffnet, und so viel wird eine Schnecke im Winterschlaf wohl kaum verbrauchen. Natürlich würde ich darauf achten, dass sie mit keinerlei Chemikalien oder so in Kontakt käme.

>>Vielleicht solltest du sie erstmal noch etwas in der Wohnung beobachten, ob sie frisst und Kalk aufnimmt.<<
Das ist das, was ich bislang versucht habe.
Bislang ist sie halt nicht gänzlich zur Ruhe gekommen und bildet keinen Deckel, sondern umhüllt sich lediglich mit diesem durchsichtigen "Klebstoff", wechselt dann aber auch 'mal wieder den Platz.
Das Problem ist, wie erwähnt, dass sie eben nicht richtig ruht, bei Zimmertemperatur womöglich zu viel Energie verbraucht aber dennoch nicht frisst.

Eine andere Idee wäre die Flucht nach vorn: Beleuchtung mit Lampe steigern, wärmeren Platz wählen und so Frühlingsbeginn simulieren, in der Hoffnung, dass das aktiviert und sie wieder frisst, wenn es schon (dieses Jahr) nichts mit Winterschlaf wird.

Wenn jemand noch weitere Tipps hat, werde ich dankbar sein.
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Re: Überwinterung einer "invaliden" (Gehäuse) Weinbergschnec

Beitragvon Skilltronic am 23.01.2020, 13:23

Willkommen im Schneckenforum, Harald :)

Es ist schön, dass du dich der Schnecke angnommen hast.

Eine vollständige Reparatur der gesamten Schalenwand einschließlich der Schalenhaut, ist, soweit ich weiß, nur während des Wachstums der Schale möglich. Nachdem dieses durch Auswachsen der Mündungslippe beendet ist, kann nach einem Schaden an der Schalenhaut (Periostracum) nur noch die Schalenwand, aber nicht mehr die Schalenhaut, rekonstruiert werden.
Dies scheint bei deiner Schnecke der Fall zu sein.
Wenn ich nichts überlesen habe, geht aus deinen Beiträgen nicht hervor, ob du die Schnecke "behalten" willst/kannst.
Ich gehe aber davon aus, dass sie in derzeitigem Zustand sogar draußen zurecht käme.
Dennoch ist deine Sorge bezüglich des drastischen Temperaturabfalls sicher nicht unbegründet, obwohl ich noch nicht so recht verstanden habe, warum sie sich deiner Meinung nach, nicht vollständig in ihr Haus zurückziehen kann/könnte.
Um sie langsam an die Außentemperaturen zu gewöhnen, käme mir die Idee, sie, zunächst geschützt, tagsüber und dann immer ein wenig länger, auf deiner Terrasse/Balkon, so vorhanden, unterzubringen, um sie weiterhin beobachten und mit Kalk versorgen zu können.

Gruß
Skill
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Re: Überwinterung einer "invaliden" (Gehäuse) Weinbergschnec

Beitragvon Hoehlenbaer am 31.01.2020, 09:02

Hallo Skill,
vielen Dank für die Antwort und Infos.

>>Eine vollständige Reparatur der gesamten Schalenwand einschließlich der Schalenhaut, ist, soweit ich weiß, nur während des Wachstums der Schale möglich. Nachdem dieses durch Auswachsen der Mündungslippe beendet ist, kann nach einem Schaden an der Schalenhaut (Periostracum) nur noch die Schalenwand, aber nicht mehr die Schalenhaut, rekonstruiert werden.<<
Das bestätigt, was ich mir schon gedacht habe.

>>... ich noch nicht so recht verstanden habe, warum sie sich deiner Meinung nach, nicht vollständig in ihr Haus zurückziehen kann/könnte.<<
Um das etwas verständlicher zu machen, was ich meine, habe ich eine schematische Skizze hochgeladen (siehe unten).
Der Teil eines unbeschädigten Gehäuses, der über den Schneckenkörper hinausragt (Mündungslippe ist offenbar der Fachbegriff für Übergangslinie), ist halt weg und wird offenbar auch nicht mehr nachgebildet.
Wenn sich die Schnecke ein- und zurückzieht, verschwindet der vordere Teil des Körpers eben nicht unter diesem - fehlenden - Schirm. So wie ich Gehäuseschnecken kenne, kann eine Schnecke ihre Weichteile so zurückziehen, dass man keine Weichteile mehr sieht, wenn das Gehäuse auf dem Boden aufliegt. Bei meiner Schnecke sieht man auch dann noch den "Kopf".

>>Wenn ich nichts überlesen habe, geht aus deinen Beiträgen nicht hervor, ob du die Schnecke "behalten" willst/kannst.
Ich gehe aber davon aus, dass sie in derzeitigem Zustand sogar draußen zurecht käme
.<<
Grundsätzlich ist die Schnecke lebensfähig. Allerdings nehme ich an, dass die anfälliger für Fressfeinde und Kälte / Trockenheit ist.
Die Schnecke kann ich behalten, wenn ich das möchte und für die Schnecke für sinnvoll und artgerecht vertretbar halte. Anfänglich ging es vor allem darum, ob sie sich erholt und überlebt. Dann stellte sich die Frage mit dem Winter, und ich war sicher, dass sie im Terrarium bzw. Winterquartier bessere Chancen haben würde als in der Natur.
Ich würde mich, nach der Pflegephase nur sehr ungern trennen. Ich glaube schon, dass ich sie vernünftig versorgen kann. Allerdings sind Weinbergschnecken ja wohl gesellige Tiere, so dass ich dann für Gesellschaft sorgen müsste, wozu ich aber eigentlich keine gesunden Schnecken aus der Natur entführen möchte.
Nun werde ich erst 'mal zusehen, die Schnecke gut über den Winter zu bringen. Wenn das gelingt, schaue ich weiter ... .

Danke und viele Grüße
Harald
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